Sprachliche Botschaften – Beispiel: Modell ‘Kommunikationsquadrat’ (n. Schulz von Thun)
Wie die Kommunikation weist auch die einzelne Botschaft verschiedene Aspekte auf. Die inhaltliche Komponente ist also nur ein Teil der Gesamtbotschaft. Botschaften sind aber nicht nur Elemente eines interpersonellen Beziehungsmusters. Sie werden auch vom symbolhaften Charakter des Lernprozesses beeinflusst. Sprachliche Symbole versetzen in die Lage, auf hohem Niveau abstrakt zu arbeiten:
Beispiel – Begriff “Vektorrechnung”:
Hinter dem sprachlichen Symbol “Vektorrechnung” verbirgt sich ein komplexes mathematisches System. Nur wenn Sender und Empfänger die Bedeutung des Symbols kennen, kann das kommunikative Ziel erreicht werden. Auch das Denken kann mit Hilfe von Symbolen oder Symbolclustern in größeren Schritten vorangehen. Wissenschaft ist nur mit Hilfe dieser ökonomischen Symbolsysteme, den Fachsprachen, möglich.
Das Kommunikationsquadrat
Friedemann Schulz von Thun hat bereits in seinem 1981 erschienenen Buch “Miteinander reden” das Modell der Sach‑ und Beziehungsebene erweitert zum Modell des Nachrichten- bzw. Kommunikationsquadrates. Dieses Modell ist heute als Erklärungsmodell für Kommunikation allgemein akzeptiert und findet insbesondere bei der Klärung von Konflikten Anwendung. Wenn ich demnach in einer bestimmten Situation jemandem etwas mitteile, enthält meine Äußerung (Nachricht), ob ich will oder nicht, vier Botschaften:
1. Eine Sachinformation:
Ich informiere über einen Sachverhalt.
2. Eine Selbstkundgabe:
Ich teile etwas über mich selbst mit.
3. Einen Beziehungshinweis:
Ich teile mit, was ich von meinem Gegenüber halte, wie ich zu ihm stehe.
4. Einen Appell:
Ich teile mit, was ich durch meine Äußerung erreichen möchte, wozu ich mein
Gegenüber veranlassen möchte.
Beispiel – Eine Lehrperson sagt morgens vor Veranstaltungsbeginn zu einem Studierenden:
“Ich habe gestern Abend Ihre Studienarbeit noch nicht in meinem Fach vorgefunden.”
1. Sachinformation:
Ich habe die Studienarbeit noch nicht erhalten.
2. Selbstkundgabe:
Ich habe gestern noch lange gearbeitet bzw. war gestern noch lange hier.
3. Beziehungsebene:
Sie lassen sich aber lange Zeit, bis Sie mir Ihre Arbeit abgeben.
4. Appell:
Händigen Sie mir Ihre Studienarbeit aus!
Das Sprechen mit “vier Schnäbeln”
Wir sprechen also sozusagen immer mit sog. vier Schnäbeln gleichzeitig, wobei es meistens einen Schwerpunkt auf einer der vier Seiten gibt. Für eine geklärte Kommunikation, vor allem in schwierigen Situationen, ist es wichtig, dass wir uns bevor wir senden darüber klar werden, auf welcher Seite wir senden wollen und diese Absicht dann auch verbal und nonverbal entsprechend umsetzen.
Das Hören mit “vier Ohren”
Dem Senden auf vier Seiten entspricht auf der Empfängerseite das Empfangen auf vier Seiten – oder mit vier Ohren:
1. Mit dem Sach‑Ohr höre ich den Sachinhalt: Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?
2. Mit dem Selbstkundgabe‑Ohr höre ich darauf, was der Sender mit der Botschaft über sich selbst aussagt: Was ist das für einer? Was ist mit ihm?
3. Mit dem Beziehungs‑Ohr frage ich mich, was die Botschaft mit mir zu tun hat: Was sagt das über mich? Wie denkt der Sender über mich? Wie redet der (eigentlich) mit mir? Wen glaubt er vor sich zu haben?
4. Mit dem Appell‑Ohr versuche ich: Herauszufinden, was ich tun, denken, fühlen soll (aufgrund seiner Mitteilung), was von mir erwartet wird.
Mit welchem Ohr wir in einer bestimmten Situation hören, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, die wir nur teilweise beeinflussen können. Es sind dies:
- Die Grundhaltungen, die in unserer Persönlichkeit angelegt sind.
- Die formelle Beziehung zwischen Sender und Empfänger, z. B. eine Chef-Sekretärin‑Beziehung oder eine kollegiale Beziehung.
- Die Vorgeschichte, die es möglicherweise in der Beziehung zwischen Sender und Empfänger gibt.
- Die besondere Situation oder Stimmung, in der wir uns beim Empfang der Nachricht befinden, z. B. Stress, Arbeitsbelastung, private Probleme, oder auch Entspanntheit und Arbeitslust.
Auf unser Beispiel bezogen könnte der Studierende, je nachdem mit welchem Ohr er gehört hat, einen der vier unterschiedlichen Sätze gehört haben. Schauen wir uns die vier Sätze noch einmal an, so wird deutlich, wo die “Konflikt‑Fallen” lauern:
1. Hört er mit dem Sach‑Ohr, so nimmt er die Information auf, ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen.
2. Hört er mit dem Selbstkundgabe‑Ohr, so fragt er sich vielleicht, ob der Dozent am Vortag ungeduldig auf den Erhalt der Studienarbeit gewartet hat oder ob er heute besonders schlecht gelaunt ist.
3. Hört er mit dem Beziehungs‑Ohr, so kommt vielleicht Ärger darüber auf, dass er sich (vielleicht zum wiederholten Male) vom Dozenten vorschnell oder zu Unrecht kritisiert fühlt.
4. Hört er mit dem Appell‑Ohr, so wird er das Mögliche daran setzen, seine Studienarbeit baldmöglichst abzugeben.
Wir sehen, dass sich ein Konflikt vor allem dann entwickeln kann, wenn wir die Tendenz haben, häufig mit dem “Beziehungs-Ohr” zu empfangen. – Insbesondere in Organisationen können solche “einseitigen Empfangsgewohnheiten” zu Störungen der Kommunikation und damit zu Konflikten führen.